Elektronisch kalibriertes Frequenznormal

PLL-Schaltung synchronisiert Quartzoszillator mit dem Sender DCF77

D. Teuchert, Juni 1991

Aktualisierung 2011 hier: Präzisionsfrequenzmessungen


Wer für Frequenz- bzw. Zeitmessungen ein Frequenznormal hoher Stabilität braucht, verwendet üblicherweise einen Quartzoszillator. Seine Frequenzschwankungen sind viel kleiner als die Abweichungen von der Nennfrequenz, welche schon bei Meßzeiten von 1 - 10 s stört. Hier wird erklärt, wie man die Stabilität eines Quartzoszillators mit der Präzision des Normalfrequenzsenders DCF77 verbindet. Die Anordnung ist so einfach und arbeitet so zuverlässig, daß sie sich als hochwertige Zeitbasis für Frequenzzähler und -synthesizer eignet.

Das Funktionsprinzip

Bild 1 zeigt schematisch die Komponenten des Geräts. Mit dem Einkreisempfänger wird das DCF77-Signal [1] empfangen und verstärkt. Es dient als Referenzphase für einen PLL [2], bestehend aus einem abstimmbaren Quartzoszillator, einem digitalen Frequenzteiler 20 MHz -> 77,5 KHz, einem doppelt balancierten Mischer und einem Tiefpaß als Regelschleifenfilter. Eine solche Anordnung wird in der Literatur als "Tracking Filter" bezeichnet. Die Bandbreite des Regelkreises kann man fast beliebig klein machen, so daß Modulation und Rauschen im Eingangssignal völlig unterdrückt werden. Nur die Frequenzdrift des freischwingenden VCOs setzt der Bandbreite eine untere Grenze.


Bild 1: Prinzip des Frequenznormals

Die relative Phasenlage zwischen dem Empfangssignal und dem Lokaloszillator, bestehend aus Quartz-VCO und Teiler, überwacht der Mischer. Seine Ausgangsspannung steuert die Frequenz und Phase des Oszillators. Die Polarität des Mischer ist völlig gleichgültig: Die Verriegelung der Phase erfolgt entweder bei delta phi= +90° oder delta phi = - 90°. Amplitudenschwankungen des Eingangssignals spielen für die Phasenregelung zunächst keine Rolle; sie bewirken allerdings Verstärkungsschwankungen im Regelkreis und beeinflussen damit das Einschwingverhalten des Reglers. Insbesondere der Fangbereich wird bei kleinem Eingangssignalpegel reduziert. Ist der VCO einmal richtig synchronisiert, dann spielt das dynamische Verhalten des Reglers nur noch eine unkritische Rolle.

Allerdings legt die Bandbreite des Regelkreises den Übergang zwischen freilaufendem und geregeltem Betrieb des VCO fest. Damit Störungen und Modulation gut unterdrückt werden, sollte die Bandbreite möglichst klein sein. Tatsächlich enthält das DCF77-Signal eine Phasenmodulation von etwa +- 0,3 rad; außerdem Schwankungen während der sekündlichen Amplitudenabsenkung. Ein Zahlenbeispiel: Ist das Empfangssignal von Störungen überlagert, die ein weißes Phasenrauschen der Nulldurchgänge von 0,5 rad d. h. ca. 1 microsec bewirken, so ergibt sich nach Mittelung der 15500 Nulldurchgänge in 0,1 s eine Genauigkeit der gemittelten Phase von 0,004 rad d. h. ca 8,2 ns. Nach 1 s erreicht man rein rechnerisch eine Unsicherheit von 0,0013 rad d. h. ca 2,6 ns unter der Voraussetzung, daß der Phasenvergleich überhaupt so genau durchgeführt werden kann. Die Genauigkeit wird umso besser, je mehr Nulldurchgänge gemittelt werden. Andererseits hat der freilaufende Oszillator, der als Referenz für die Ermittlung der Phase dient, selbst nur eine begrenzte Stabilität. Zum Beispiel durch Temperaturänderungen kann es innerhalb weniger Sekunden zu einer Phasenabweichung kommen. Die optimale Regelzeitkonstante des PLL sollte etwa 1 bis 10 s betragen. Mit einem temperaturstabilisierten Quartzoszillator kann man sie noch weiter erhöhen. Das hat aber nur Sinn, wenn der Phasenvergleich wirklich auf 0,001 rad stabil ist!

Die praktisch vorkommenden Störungen haben keinen stochastischen Charakter, sondern meist irgendwelche Gründe. Bei einem kurzzeitigen Ausbleiben des Empfangssignals läuft der Quartzoszillator zunächst mit der alten Frequenz weiter und die korrekte Phasenlage kann bei rechtzeitiger Wiederkehr des Nutzsignals wiederhergestellt werden. Die Phasenregelung mit einem linearen Mischer hat also von sich aus die richtige adaptive Charakteristik. Für eine weitere Verbesserung wären Nutz- und Störsignalpegel regelrecht zu messen und passend einzuarbeiten.

Das Verfahren der phasengekoppelten Frequenzvervielfachung hat gegenüber anderen [3] erhebliche Vorteile. Sie ergeben sich aus der "linearen" Verarbeitung des Referenzsignals. "Ja-Nein-Entscheidungen" durch rückgekoppelte Schmitt-Trigger bzw. Flip-Flops werden vermieden. Daraus resultiert eine enorme Störsicherheit trotz einfachem Aufbau. Fehlzählungen sind ausgeschlossen. Dasselbe Verfahren wird übrigens bis in den infrarotoptischen Frequenzbereich angewandt, z. B. bei 8,8 * 1013 Hz, "Methan" [4].

Schaltungsvorschlag

Bild 2 zeigt einen konkreten Schaltungsvorschlag. Alle weiteren Angaben zu den Betriebsdaten beziehen sich auf Versuche mit einem solchen Prototyp.


Bild 2: Schaltbild Frequenznormal

Die Schaltung des Quartzoszillators enthält keine Besonderheiten. Als Resonator dient ein handelsüblicher Billigquartz im Metallgehäuse HC-18/U. Die Mittenfrequenz wird mit dem Trimmkondensator T eingestellt. Die Kapazitätsdiode mit einem kleinen Serienkondensator zur Linearisierung der Kennlinie dient der elektronischen Abstimmung. Der Einbau induktiver Bauelemente wurde vermieden, um die Abschirmung gegen äußere Störfelder zu erleichtern. Es wurde auf eine rückwirkungsarme Auskopplung des 20-MHz-Signals geachtet.

Nach dem Aufwärmen des Geräts hat die Regelung ihren Arbeitspunkt bei UVCO = 9 V, so daß eine gute Aussteuerreserve in beiden Richtungen vorhanden ist. Die Steilheit des VCO beträgt etwa KV = 25 Hz/V, der Abstimmbereich 250 Hz. Durch Alterung des Quartzresonators erwartet man eine langsame Frequenzverschiebung von etwa 10-7/Jahr, entsprechend 20 Hz in 10 Jahren. Eine Temperaturänderung von 20°C auf 35°C liefert etwa 50 Hz. Andere Effekte, wie z. B. Einfluß der Versorgungsspannung auf die Oszillatorfrequenz , sind deutlich kleiner. Der Abstimmbereich des VCO deckt also die zu erwartenden Frequenzschwankungen sicher ab.

Der Frequenzteiler muß einen Teilungsfaktor von
   77,5 KHz / 20 000 KHz = 31 / 8000 = 0,5 / 129,0322581
realisieren. Das erfordert eine Teilung mit Rest, vergleichbar etwa dem mit dem Bresenham-Algorithmus für gerasterte Linien. Schaltungstechnisch wird das Prinzip mit zwei verknüpften Synchronzählern realisiert. Ein Zähler ist für das Teilungsverhältnis 129 oder 130 programmiert (Bruchteil), der andere für 31 (Rest). Die Zählfolge 30 * 129 + 130 = 4000 ist ein Zyklus ohne Rest und wird bei 20 MHz Taktfrequenz 5000 mal pro Sekunde durchlaufen. Die Schaltung liefert Impulse mit einer Frequenz von 31 * 5 KHz = 155 KHz, aus denen hinter einem Flip-Flop eine symmetrische Schwingung von 77,5 KHz wird. Die "Teilung mit Rest" bedingt mit dem vorgegebenen Zeitraster ein Phasenjitter von 1/f0 = 50 ns der Nulldurchgänge gegen eine gleichförmige Schwingung. Diese Phasenfehler könnte man mit einem analog arbeitenden Phasenmodulator kompensieren, der von dem momentanen Teilerrest über einen DA-Wandler gesteuert wird. Alternativ kann man den Teilerrest vom Mischersignal subtrahieren. Hier ist das jedoch völlig überflüssig, da der Phasenjitter zwar vom Mischer gemessen, jedoch vom Schleifenfilter weggemittelt wird.

Die Referenzphase vom Sender DCF77 wird mit einer abgestimmten Ferritantenne empfangen und in einem zweistufigen Vorverstärker auf etwa 5 mVeff angehoben. Diverse Bausätze solcher "Aktivantennen" sind für Radiouhren erhältlich. Zwischen Vorverstärker und Rest der Schaltung sollte man einige Meter abgeschirmtes Kabel schalten. Dann kann man die Antenne irgendwo plazieren, wo gute Empfangsbedingungen herrschen. Übrigens hat die Ferritantenne eine Richtwirkung: Ihre Breitseite muß nach Mainflingen in der Nähe von Frankfurt zeigen.

Auf eine Amplitudenregelung im Empfänger kann verzichtet werden, weil das Gerät für stationären Betrieb ausgelegt ist. Gegebenenfalls kann man die Gegenkopplung der Aktivantenne ändern. Für den Betrieb auf Fahrzeugen ist das Verfahren sowieso nicht geeignet, denn jede Bewegung der Empfangsantenne im Sendefeld von DCF77 bewirkt kleine Phasen- und Frequenzverschiebungen (100 km/h liefert delta f <= 10-7).

Die Stellgröße für den PLL wird nach dem Prinzip des Synchrondetektors "Lock-In" aus dem Empfangssignalgemisch herausgefiltert. Dabei kommt es vor allem darauf an, daß das Signalgemisch in den linearen Bereich des Mischers paßt. Genauer gesagt: Die nichtlinearen Misch- und Kreuzmischprodukte der Störungen müssen im Vergleich zum Nutzsignal klein sein. Es wird keineswegs verlangt, daß das Störsignal selbst kleiner als das Nutzsignal ist. Deswegen reicht ein einkreisiger Primitiv-Empfänger zur Gewinnung des Empfangssignals völlig aus. Weitere Filter würden die Funktion des Geräts kaum verbessern - im Gegenteil: Tatsächlich birgt jeder Resonator das Risiko temperaturabhängiger Phasendrehungen.

Als Synchrondetektor dient ein doppelt balancierter Transistormischer, wie er auch als 4-Quadranten-Analog-Multiplizierer verwendet wird. Er arbeitet am Signaleingang im linearen Bereich. Am Trägereingang wird der Mischer vom symmetrischen Ausgangssignal des Frequenzteilers übersteuert (Lokaloszillator). Der Ausgang des Mischers ist mit einem zusätzlichen Operationsverstärker beschaltet, um bei der Auskopplung des Mischsignals Gleichtaktstörungen besonders gut zu unterdrücken. Immerhin hängt die Qualität des gesamten Frequenznormals wesentlich von der Gleichstrombalance des Mischers ab. Die Toleranzen des Gegenkopplungsnetzwerks müssen durch Abgleich an P ausgeglichen werden.

Die Steilheit des Phasenvergleichs ist proportional der Antennenspannung und betrug bei Experimenten z. B. KP = 300 mV/rad. Dieser Wert kann aus der Amplitude der Schwebung ermittelt werden, die bei offener Regelschleife auftritt. Mit einem kleinen Drehspulinstrument zur Nullanzeige kann die Phasenlage angezeigt und überwacht werden.

Als Schleifenfilter dient ein Tiefpaß erster Ordnung in Verbindung mit einem Integrator. Auch hier muß auf kleine Offsetspannungen und -ströme geachtet werden. Übliche BiFET-Operationsverstärker mit einem spezifizierten Eingangsfehlstrom von < 0,2 nA haben eine effektive Fehlspannung von 0,4 mV an 2,2 MOhm. Dieser Wert paßt zu den temperaturbedingten Offsetspannungen im Mischer. Die Regelzeitkonstante ist umschaltbar. Die schnelle Regelung mit einer Einschwingzeit von 2 s wird man nach dem Einschalten des Geräts benutzen. So hat man auch bei schwachem Eingangssignal einen ausreichenden Fangbereich und eine feste Phasenkopplung während des Aufwärmens. Für den Dauerbetrieb eignet sich eine Regelzeitkonstante von 15 s besser. Sie ergibt eine losere Kopplung und erhöhte Störsicherheit. Investiert man zusätzlich einen Quartzofen [5], so kann man die Regelzeitkonstante noch weiter vergrößern, z. B. auf einige Minuten.

Die gesamte Schaltung hat zwei Abgleichpunkte. Mit dem Trimmkondensator T wird die Mittenfrequenz des Quartzoszillators so eingestellt, daß sich nach dem Aufwärmen ein guter Arbeitspunkt für die Regelung ergibt (UVCO = 9 V). Mit dem Trimmer P wird die Balance des Mischers/Integrators justiert - am einfachsten auf minimale Drift des Integrators bei fehlender Referenzphase.

Insgesamt ist die Schaltung nicht komplexer als ein Stereodekoder. Man sollte meinen, daß der Analogteil mit einer integrierten Empfängerschaltung aufgebaut werden kann. Leider enthalten solche ICs intern eine direkte Verbindung zwischen Oszillator und Mischer. Hochintegrierte PLL-Schaltungen arbeiten mit digitalen Mischern, kommen also auch nicht in frage. Der Einsatz eines PLL-FSK-Demodulators wie NE 564 [1] kann eine Vereinfachung bringen.

Praktische Erfahrungen

Sind Mischer und Integrator gut abgeglichen (Uio < 0,5 mV), so kann der Regelkreis die korrekte Phasenlage aufrechterhalten, solange die Antennenspannung mindestens etwa 2 / 600 des bei Experimenten tatsächlich vorgefundenen Betrags hat (KP = 300 mV/rad) hat. Anders ausgedrückt: Der Empfänger könnte nach einer völligen Unterbrechung des Empfangs von die korrekte Phasenlage wiederherstellen. Hier wird deutlich, warum der Empfänger auf die Amplitudenmodulation von DCF77 nicht reagiert. Die Aussagen können durch Experimente erhärtet werden. Die Funktion des Frequenznormals war auch unter schlechten Empfangsbedingungen immer einwandfrei. Die PLL lief nie aus der Verriegelung.

Ein weiteres Maß für die Qualität des Geräts sind die Phasenschwankungen des 20-MHz-Ausgangssignals gegenüber einem gedachten 50 ns-Zeitraster. Zur experimentellen Bestimmung kann ein freilaufender, hochwertiger Quartzoszillator die Referenzphase darstellen. Die gemessenen Phasenschwankungen unserer "Normalfrequenz" betragen im Dauerbetrieb maximal +/- 200 ns. Sie werden im wesentlichen durch die Phasenmodulation des DCF77-Signals zwischen den Sekundenmarken sowie durch schwankende Empfangsbedingungen hervorgerufen. Die gemessene Standardabweichung beträgt etwa 42 bzw. 50 ns bei Meßzeiten von 10 und 100 s. Wie wirken sich solche Phasenschwankungen bei einer Frequenzmessung aus? Sie sind praktisch unabhängig von der Meßdauer und haben insofern einen ganz anderen Charakter als Zählfehler. Bei einer Meßdauer von 10 s ergibt sich der relative Fehler zu

Dieser Wert paßt gut zu dem Digitalisierungsfehler der Frequenzmessung, den 1 count in 10 s bei 20 MHz = 5 *v10-9. Bei Frequenzmessungen über 1 s oder weniger wirken sich die Schwankungen überhaupt nicht aus!

Weitere Kandidaten für die Gewinnung einer genauen Referenzphase sind

Weltweit gibt es etwa 15 sogenannte Normalfrequenzsender, der Genauigkeit durchweg besser als 10-10 ist. Sie arbeiten zum Teil nur zu bestimmten Tageszeiten oder mit Modulationen, die die einfache Anwendung erschweren. Andererseits gibt es auch Sender für 10 oder 20 MHz, die für die vorgeschlagene Anwendung sicherlich besser geeignet wären.

Tatsächlich ist die Genauigkeit vieler anderer Frequenzen zwar nicht spezifiziert, aber für viele Anwendungen völlig ausreichend. Tabelle 1 zeigt einige Meßergebnisse an Fernsehsendern. Bestimmte Sender liefern Zeilenfrequenzen mit einer Genauigkeit besser als 10-8. Die Farbhilfsträgerfrequenzen unterliegen anscheinend größeren Schwankungen.

Der Empfang eines Fernsehsenders oder eines Navigationssatelliten bei 1,2 GHz sprengt allerdings den Rahmen einer Low-Cost-Lösung, den das vorgestellte Konzept realisiert. Immerhin kann man durch den Einbau der PLL den Quarzthermostat einsparen!

Tabelle 1: Frequenzmessungen an Fernsehsendern
Alle Angaben in 10-9 relativ zum Sollwert (15625 bzw. 4433618,75 Hz)

Zeilenfrequenz Farbhilfsträgerfrequenz
 Abweichung   Streuung   Abweichung   Streuung 
ARD -12 26 257 1206
DDR 1 -16 32    
DDR 2 -7 21    
N3 64 52 266 509
RTL 2542 31 2410 170
Sat1 216 128 37 226
ZDF 50 43 38 176


Literatur

1. Hetzel, P.: Die Zeitsignal- und Normalfrequenzsendungen der PTB über den Sender DCF77, Bericht der PTB, Braunschweig 1982
2. AN 177 und AN 178 in: Professionelle integrierte Analogschaltungen, S. 491, Valvo 1985
3. Stüber, W.: Eichung von Hochfrequenzoszillatoren, Elektronik 2/1990, S. 78
4. M. Grinda, G. Kramer, C. O. Weiß: Frequenzmessung im Infrarotspektralbereich, PTB Mitteilungen 89, S. 328 (1979)
5. Einfacher Quartzthermostat, Elektronik 10/1987, S. 116